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Stress und Burnout bei Gründern

Wer den Sprung in die Selbständigkeit wagt, hat mit einer Menge Herausforderungen und teilweise Überforderungen zu kämpfen: den Start organisieren, Finanzierungsfragen klären, den tägliche Workload bewältigen… Daneben schwingt oft auch Angst mit. Erfolgt die Gründung ohne Partner, ist oft zumindest in den ersten 12 bis 24 Monaten der Gründer Fachkraft, Manager und Unternehmer in Personalunion, eine große Herausforderung und Anstrengung. Gibt es Gründungspartner, kommt es nicht selten zu Konflikten oder unterschiedlichen Auffassungen über Arbeitsvolumen, Arbeitszeiten und Leistung.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind Zeit, Geduld, Kraft, Energie und enorme Anstrengungen notwendig, um ein Start-up dauerhaft zum Erfolg zu führen. Und manchmal ist das Privatleben mit Partner/in und teilweise Kindern noch eine unausgesprochene Zusatzbelastung, insbesondere, wenn das Umfeld die Arbeitsbelastung und –intensität nicht oder nur bedingt mit trägt.

Nervosität, Reizbarkeit und nicht zur Ruhe kommen sind erste Anzeichen für eine Stressbelastung. Hinzu können Magen-Darm-Probleme, Augenzucken, Geräuschempfindlichkeit und Kopfschmerzen kommen.

Burnout bei Gründern & in Start-ups – wichtig ist, die Stressoren, die den Stress auslösen, ausfindig zu machen, sich die Stressbelastung einzugestehen und zur Veränderung bereit zu sein.

Wird die Gefahr des „Ausbrennens“ rechtzeitig erkannt, ist das Gegensteuern besonders wirksam. Aber auch die von großer Erschöpfung und Stressbelastung betroffenen Gründer staunen, welche Veränderungs- und Verbesserungsmöglichkeiten es gibt.

Ob es um strukturelle Änderungen geht, um Erlernen erforderlicher Managementfähigkeiten, um Schaffen eines Ausgleichs, um Führen eines Gesprächs, Treffen einer Vereinbarung mit den Gründungspartnern, um das Arbeiten am eigenen Anspruch, an den eigenen Glaubenssätzen und an der eigenen Arbeitskultur, alles hängt stark von der Gründerpersönlichkeit selbst ab.

Gründer und Burnout

Zwar kann das Wort „Burnout“ kaum noch einer hören oder lesen, dennoch erfährt es eine zunehmend gesellschaftliche Akzeptanz. Fast im Gegenteil, oft wird Burnout stolz als Orden an der hart arbeitenden Brust gesehen.

Wenn Oliver Samwer sagt, „Diese Burnout-Sache ist nichts für mich“, dann spricht er das aus, was viele glauben: Stress und Burnout gehören nicht in ein Start-up. Es entspricht nicht dem Leitbild der erfolgshungrigen, aufopfernden Gründer, die Großes erreichen wollen. Sind Investoren mit an Bord, wird allein aus wirtschaftlichen Gründen das Thema totgeschwiegen. Und, selbst wenn das Thema in der Start-up-Kultur angesprochen werden dürfte, glauben viele nicht, dass dies auch nur irgendetwas bringt, wo die eigene Situation doch unveränderbar scheint: keine Zeit, kein Geld und die Arbeit muss getan werden. Und mal ehrlich: würde ein Mark Zuckerberg, Steve Jobs oder Elon Musk jemals ein Burnout erleiden oder dies öffentlich zugeben? „Weitermachen“ scheint da die einzige Devise.

Als Coach will ich diesem Tabu entgegenwirken, und zwar nicht nur zugunsten der betroffenen Gründer, sondern auch zugunsten des Erfolgs der Start-ups.

Auch wenn der Erfolg mit dem eigenen Start-up gelingt, schaffen viele Gründer nicht den Übergang zum Unternehmer. Mitarbeiterverantwortung, Überforderung und das Delegieren werden häufig eher noch als Zusatzbelastung empfunden. Das Ablegen der alten 24/7-Gründermentalität gelingt nicht immer.

Was passiert bei Stress?

Grundsätzlich wird zwischen „Eustress“ = positiver Stress (Energie, Motivation, Zuversicht, Abwehrkräfte, Leistungen) und „Distress“ = negativer Stress / Spannungsstress (Erschöpfung, Überforderung, Pessimismus, geringe Zuversicht, Beschleunigung des Alterungsprozesses) unterschieden. Wirklich gefährlich werden können auf Dauer der Distress und dabei vor allem der innere Stress. Teilweise merken wir gar nicht, dass wir uns starkem Stress aussetzen. So wurde z.B. in Studien nachgewiesen, dass unser vegetatives Nervensystem immer in Alarmbereitschaft ist, sobald unser Dienst-Handy eingeschaltet ist.

Was passiert bei Stress? In Stresssituationen werden die Überlebensinstinkte des Menschen geweckt, der Mensch reagiert mit den archaischen Notfallprogrammen Angriff, Flucht oder Starre. Der Anfang der Stressreaktion ist im Gehirn. Über die Sinnesorgane gehen Signale an die Mandelkerne und die Steuerzentrale unseres Nervensystems, den Hypothalamus. Blitzschnell werden Stresshormone im Gehirn produziert. Das Stresshormon ACTH gelangt über den Blutkreislauf in die Nebennierenrinde. Dieses schüttet das Stresshormon Cortisol aus. Parallel produziert ein spezialisiertes Nervensystem Adrenalin. Cortisol und Adrenalin treiben unter anderem den Blutdruck und Herzschlag in die Höhe, die Gefäße werden enger, die Atmung schneller, ein starkes Hungergefühl tritt auf.

Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen der biologischen Psychologie blockiert das in Stresssituationen ausgeschüttete Hormon Cortisol das Abrufen von Wissen aus unserem Gehirn und schränkt unsere Erinnerungs- und Leistungsfähigkeit temporär stark ein.

Als Stress-Reaktion verbrauchen die Nervenzellen im Gehirn ca. 80% der gesamten Energiezufuhr. Da der Körper den Großteil seiner Energie in der Belastungssituation für das Gehirn benötigt, verringert sich die Zufuhr von Glukose an die Muskeln, die Anspannung der Muskeln erhöht sich. In Belastungssituationen hat das Notprogramm mit der hohen Energieversorgung oberste Priorität, andere Körpervorgänge (z.B. Verdauung, Appetit, Schlaf, Lust auf Sex etc.) erscheinen dem Körper in dieser Zeit als sekundär und werden stark reduziert oder gestoppt.

Hält die Stresssituation über einen längeren Zeitraum an, hat dies gravierende Folgen: das System samt Energiereserven ist irgendwann entleert, der Körper schafft die Nachproduktion nicht mehr. Der sogenannte Neurostress ist anhand der Werte von Adrenalin, Cortisol usw. messbar – in Burnout-Stufe 12 ist z.B. fast kein Cortisol mehr im Blut nachweisbar. Chronischer Stress bewirkt eine Anpassungsreaktion im Körper (allostatische Aktivierung), darunter eine Veränderung der Denkstrukturen (Wut und Ärger sind beispielsweise nicht mehr richtig kontrollierbar) sowie unserer Stoffwechselvorgänge.

Zwar stimuliert die Leidenschaft und Euphorie der Gründer die Endorphinausschüttung in unserem Gehirn, was dazu führt, dass wir uns gut fühlen und die Schmerzen im Körper wenig wahrnehmen. Verstärkt wird dies häufig durch Zucker und Alkohol oder Nikotin, deren Stoffe unserem Bewusstsein kurzfristig Zufriedenheit suggerieren. Doch Erkenntnisse aus Hirnforschung und Motivationspsychologie zeigen, dass eine permanente Selbstkontrolle langfristig wenig Erfolg bringt und signifikant zu Erschöpfung und Demotivation beitragen kann. Der Versuch, sich in Stresssituationen zu noch mehr Leistung zu zwingen, erscheint in diesem Zusammenhang kläglich.

Unser Stresssystem ist evolutionär geprägt, daher reagieren Frauen und Männer häufig unterschiedlich. Während Männer eher mit dem “Fight-or-Flight-Prinzip” (Kämpfen oder Fliehen) auf Stress reagieren, führt Stress bei Frauen eher zu “tend and befriend”, also sich kümmern und Freunde machen. Frauen versuchen häufig Stress mit viel Schlaf auszugleichen. Aber vor allem haben Frauen bei Stress einen erhöhten Gesprächsbedarf: jede 2. Frau hat bei Stress und Belastung ein starkes Bedürfnis mit dem Partner zu sprechen. Dagegen hat Studien zufolge nur jeder 6. Mann Redebedarf bei Stress, Männer suchen eher Ausgleich durch Sport, Ablenkung, Verdrängung oder Entspannung beim Bierchen.

Dauerhaft ausbleibende Regeneration und fehlendes Stressmanagement können zu körperlichen Symptomen und Krankheiten führen (z.B. Bauchschmerzen, Hörsturz, Rückenschmerzen), aber auch zu psychischen Erkrankungen wie z.B. Depressionen oder Angststörungen.

Daher: stellen Sie sich zur Vorbeugung und um ein Bewusstsein für Ihre derzeitige Situation zu bekommen ruhig öfter mal die Fragen:

Wie geht es mir gerade?
Habe ich genügend Schlaf?
Atme ich richtig?
Habe ich feste Pausen und Auszeiten eingeplant?
Ernähre ich mich auch mal gesund?
Wie beginne ich meinen Tag?
Machen ich eine bewusste Mittagspause?
Wie beende ich meinen Arbeitstag?
Was mache ich direkt vor dem Schlafen gehen?
Wann habe ich mir das letzte Mal bewusst eine halbe Stunde nur für mich genommen?